- Aquädukt und Straßenbau: Die Erschließung eines Weltreichs
- Aquädukt und Straßenbau: Die Erschließung eines WeltreichsRom wurde im Kreuzpunkt uralter Handelswege, die von Etrurien nach Kampanien und von der Tibermündung nach Osten verliefen, gegründet. Ö rtliche Straßen gab es von Beginn an: Schon in der ersten schriftlichen Fassung römischer Gesetze auf zwölf Bronzetafeln, dem Zwölftafelgesetz, waren um 450 v. Chr. Vorschriften zum Straßenbau verzeichnet. Später führten vor allem organisatorische und militärische Gründe zum Bau der großen, gepflasterten Fernstraßen, von denen einige noch heute unter ihrem ursprünglichen Namen existieren. Als Erste wurde ab 312 v. Chr. von dem Zensor Appius Claudius Caecus, dem auch für Straßen und Wasserbau zuständigen Beamten, die Via Appia gebaut. Sie verband zunächst Rom mit Capua und wurde 190 v. Chr. bis Brindisi verlängert; von Capua aus zweigten kleinere Straßen nach Kampanien ab und erschlossen den Süden Italiens. Nach dem gleichen Prinzip wurde mit der Ausbreitung des Reichs schrittweise ein von Verkehrsknotenpunkten ausgehendes Fernstraßennetz über die ganze römisch beherrschte Welt gelegt; zur Zeit seiner größten Ausdehnung spannte es sich mit einer Länge von rund 78 500 km von Spanien bis zum Kaukasus, von der Türkei bis zum Irak, von Marokko bis zum Nildelta.Dass hierbei zahllose Flüsse, Berge und Täler über- oder durchquert werden mussten, stellte den Brücken- und Tunnelbau vor hohe Herausforderungen, die dank einer hervorragenden Bogentechnik gemeistert wurden. Wann und wo der »echte Bogen« entstanden ist, bei dem die Steinlagen radial zum Mittelpunkt des Bogenkreises angeordnet sind und die abgeschrägten Keilsteine die Schubkräfte zur Seite ableiten und so das Einstürzen des Bogens verhindern, ist unklar. Die frühesten Bögen lassen sich in Etrurien in Volterra (vielleicht um 450 v. Chr.) und Falerii (240-230 v. Chr.) nachweisen. In der Folgezeit bekam der Bogen für die römische Architektur durch vielfältige Anwendung als konstruktives wie auch als schmückendes Element eine herausragende Bedeutung - im Gegensatz zur griechischen Architektur, für die senkrechte und waagerechte Bauglieder in ausgewogenen Proportionen charakteristisch waren. Außer als Teil eines größeren Bauzusammenhangs wurde der römische Bogen fast von Anfang an auch als selbstständiger Bau eingesetzt, zum Beispiel als reich geschmückter Ehrenbogen, als Straßentor oder als wehrhaftes Stadttor mit zwei oder mehr Nebenbögen und Bogenaufbauten. Alle diese Bögen erfüllten - wie auch spätere Prachttore, etwa das Brandenburger Tor - die Aufgabe, eine Institution oder ein Ereignis zu rühmen, Verkehrsabschnitte zu trennen, sie gleichzeitig zu verbinden oder den Verkehr zu lenken.Neben dem Bau und dem Unterhalt des Straßennetzes sorgte der Staat auch für die Wasserversorgung. Schon Polykrates, der griechische Herrscher von Samos, hatte um 530 v. Chr. einen heute noch erhaltenen Wassertunnel durch einen Berg schlagen lassen. Auch die Römer benutzten Tunnel, aber gewöhnlich lagen die gemauerten, mit Wartungsschächten versehenen Kanalrinnen einfach unter der Erde - wie die älteste Leitung Roms, die 312 v. Chr. ebenfalls von Appius Claudius Caecus gebaute Aqua Appia, die Quellwasser aus den Sabiner Bergen über 16 km hinweg in die Hauptstadt beförderte. Als es nach den Punischen Kriegen wegen der Ausbreitung der Stadt nötig wurde, auch die nun auf den Hügeln um Rom gelegenen Stadtteile mit Wasser zu versorgen, errichtete der Zensor Quintus Marcius 144 v. Chr. den ersten hohen, oberirdischen Aquädukt: Da eine Druckleitung in Bleiröhren, wie sie in der Stadt zur Verteilung des Wassers verwendet wurde, für Fernaquädukte zu teuer war, wurde hier erstmals das Prinzip verwirklicht, das Wasser in höchstmöglicher Höhe in einer drucklosen Leitung mit geringem Gefälle über weite Strecken möglichst bis auf die Hügel zu einem Reservoir oder zu einem Verteilerbecken zu führen. Die Bogentechnik erlaubte das Aneinanderreihen und Übereinanderstellen von zahllosen gleichen Bögen mit jeweils geringer Spannweite; über deren oberster Reihe lag die abgedeckte Wasserrinne, bei Bedarf konnte - wie bei der Aqua Marcia und der Aqua Claudia - eine zweite und dritte Leitung nachträglich obenauf gesetzt werden. In vielen Teilen des früheren römischen Weltreichs kann man noch heute diese bis zu 132 km langen Aquäduktbrücken bewundern.Dr. Dorothea MichelDas alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Zentrum der Macht. Die römische Kunst von den Anfängen bis zur Zeit Marc Aurels. Aus dem Italienischen übersetzt von Marcell Restle. München 1970.
Universal-Lexikon. 2012.